Was ist eigentlich Metagaming?

 

Unerwünschtes Metagaming

Der Begriff „Metagaming“ kann im Rollenspielumfeld negativ belegt sein. Denn unter einer bestimmten Ausprägung des Metagamings versteht man die Nutzung von Spielerwissen, das eigentlich dem Charakter nicht zur Verfügung steht, um sich einen Vorteil im Spiel zu verschaffen. Diese Form von Metagaming ist beim Liverollenspiel verpönt oder gar strikt verboten.

Beispiel 1: Du als Spieler weißt (z. B. aus einem Pen&Paper-Abenteuer, das du gemeistert hast), wie man Vampire identifizieren und über ihre Verwundbarkeiten besiegen kann. Auf der Con spielst du einen unerfahrenen Charakter, der noch nie mit Vampiren zu tun hatte, aber da du als Spieler die Lösung kennst, hat dein Charakter Zugriff auf dieses Wissen und dein Charakter ist plötzlich Vampirexperte.

Beispiel 2: NSCs verlassen das Lager mit irgendeiner IT-Begründung, und du legst ‚sicherheitshalber‘ einmal die volle Rüstung an, da das Lager nun schon ziemlich leer ist und nur noch SCs um dich herum zu sehen sind. Es wird wohl bald einen Angriff geben!

 

Spielförderndes Metagaming

Wir wollen uns auf eine Art des Metagamings fokussieren, die in der Regel nur positive Auswirkungen hat, weil sie stets darauf ausgerichtet ist, schönes Liverollenspiel zu fördern. Dabei verwendet der Spieler ebenfalls Wissen, Fähigkeiten und Erkenntnisse, die seinem Charakter möglicherweise nicht zur Verfügung stehen. Er tritt dabei während des Spiels einen halben Schritt aus der Perspektive seines Charakters heraus und passt seine Spielhandlungen mit dem größeren Metawissen des Spielers dahingehend an, dass sich eine Situation für alle beteiligten Mitspieler möglichst positiv entwickelt.

Die Zielsetzung dabei ist es eben NICHT, sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, sondern vielmehr Abläufe auf der Con schöner zu gestalten, Szenen besser gelingen zu lassen, Mitspieler in Handlungen zu integrieren oder andere Charaktere in ihrer Rolle zu tragen. Dabei kann eine auf Metagaming basierende Spielentscheidung durchaus auch negative Auswirkungen für den eigenen Charakter haben (Mut zum Fehler!) oder auch bedeuten, dass man selbst für das Wohl der anderen ein wenig zurückstecken muss. Wenn das aber andere Mitspieler ebenfalls tun, dann haben definitiv alle ein schöneres Spielerlebnis.

Wir bezeichnen diese Art des Verhaltens daher als „spielförderndes Metagaming“. Genauso könnte man es aber auch mit „vernünftiges Metadenken“ oder „einfach Mitdenken, was gerade um mich herum passiert“ beschreiben. Der Übersichtlichkeit wollen wir im Folgenden bei der Begrifflichkeit „Metagaming“ bleiben.

 

IT-Logik/Konsequentes Charakterspiel

Für das (Live-)Rollenspiel sind Rollen definiert, die wir immer möglichst gut ausfüllen und überzeugend darstellen wollen. Dabei geben uns das Charakterkonzept und bisherige Erfahrungen des Charakters vor, wie Spielentscheidungen getroffen werden. Immer dann, wenn wir ganz strikt auf dieser Basis agieren, handeln wir innerhalb der Intime-Logik unseres Charakters bzw. spielen den Charakter sehr konsequent aus.

Der Spieler überlegt sich also in der Regel, wie sein Charakter in einer Spielsituation handeln würde, und folgt dann dieser Entscheidung.

Typische Sätze sind: „Mein Charakter würde das jetzt tun …“/„Die Rolle erfordert, dass …“/„Die Spielwelt zwingt mich dazu, dass …“

Beispiel 1: Der Krieger aus Weiden hasst Orks, weil sein Land schon immer unter diesen Wesen gelitten und er gemäß seiner Charaktergeschichte seine ganze Familie bei einem Orküberfall verloren hat. Wenn dieser Charakter auf einem Liverollenspiel einen harmlosen Handwerker-Ork mit Plotvermittlungsziel trifft, würde er sicherlich nicht mit diesem reden, sondern seine Waffe ziehen und den Ork erschlagen.

Beispiel 2: Der Söldner-Veteran wurde schon mehrfach von Magiern verzaubert und hinters Licht geführt. Wenn er nun auf den vermeintlich gefährlichen Schwarzmagier trifft, wird er sicherlich nicht lange fackeln und den Kerl schnell sowie effizient umschneiden, auch wenn dieser vielleicht eine gute Erklärung für mögliche Anschuldigungen hat.

An konsequentem Charakterspiel ist im Grunde nichts falsch, jedoch vernichtet man dadurch (meist unabsichtlich) Spielpotential, das man durch das Mitdenken aus Spielersicht (Metagaming) besser hätte nutzen können.

Sollte nicht die Charakterlogik das bestimmende Element einer überzeugenden Spielwelt sein?

Sollte nicht die Logik im Handeln eines jeden Charakters der Schlüssel zu einer perfekten, in sich geschlossenen Spielwelt sein?

Die Realität und die Erfahrungen beim Liverollenspiel verneinen das leider! Denn tatsächlich geht häufig enormes Spiel- und Interaktionspotential verloren, wenn sich die Spieler rein an der IT-Logik orientieren.

 

Der gesunde Mittelweg zwischen Metagaming und IT-Logik

Sicherlich erwarten wir von niemandem, dass er vollständig auf die konsequente Darstellung seines Charakters verzichtet, genauso wie es manchen Mitspielern auch keinen Spaß macht, wenn sie jeden einzelnen Spielmoment erst kompliziert auf seine Folgen hin abwägen müssen. Daher empfehlen wir einen gesunden Mittelweg, der auch maßgeblich davon abhängen sollte, welche Dominanz der eigene Charakter in der jeweiligen Spielsituation hat. Denn je größer der Einfluss auf die Gesamtspielentscheidung, umso höher ist auch die Verantwortung des jeweiligen Spielers, die IT-Logik seines Charakters dem Spielspaß aller anderen Teilnehmer unterzuordnen.

Auf einem Weg zwischen spielförderndem Metagaming und konsequenter Charakterdarstellung sollte man sich also einfach Gedanken darüber machen, was die eigene Aktion im Spiel bedeutet und welche Folgen sie nach sich zieht. Mögliche Fragen dabei wären:

  • „Wie kann ich durch mein Spielverhalten in dieser Situation gutes Spiel für möglichst viele Mitspieler erzeugen?“
  • „Was kann ich tun, damit die Szene hier nicht stecken bleibt, sondern einen sinnvollen Abschluss findet?“
  • „Ist meine Aktion spielfördernd?“
  • „Wie läuft diese Situation spannender ab und was kann ich dafür tun?“
  • „Mit welcher Begründung kann ich diesen gefährlichen Gegenstand/diesen kritischen Text möglichst vielen anderen Spielern zugänglich machen?“
  • „Was kann ich tun, um das Engagement der Spielleitung und NSCs zu wertschätzen?“
  • „Wie kann ich meinen Mitspielern in einer Szene einen schönen Erfolg geben, ohne dass ich mich stark konträr zu meinem Charakterkonzept verhalte?“
  • „Wie schaffe ich es, mit fremden Spielern außerhalb meiner ohnehin schon bekannten Gruppe ins Spiel zu kommen?“

In den folgenden Abschnitten wollen wir das Konzept des spielfördernden Metagamings an verschiedenen Facetten und Beispielen genauer erläutern. Dem liegt ein klarer Anspruch zugrunde:

Es liegt in der Verantwortung eines jeden erfahrenen Liverollenspielers, nicht mehr nur an sein eigenes Spiel zu denken, sondern auch aufmerksam dafür zu sein, wo es möglich ist, durch spielförderndes Metagaming das Erlebnis aller Beteiligten zu verbessern.


Weiter geht es im Kapitel "Plotgegenstände".