Grundregel: Spiele nicht, was du nicht darstellen kannst
Dies ist die einfachste aller Regeln und der Grundsatz jedes stimmungsvollen Rollenspieles, denn wenn du versuchst etwas darzustellen, was du nicht darstellen kannst, wird die Durchführung immer mittelmäßig werden. Dein eigenes Aussehen, Können, deine besonders starken Wesensmerkmale und Charakterzüge spielen beim LARP immer ein Stück weit mit und du musst deine Rolle auf diese unveränderbaren Gegebenheiten anpassen.
Zugleich macht es natürlich den Reiz dieses Hobbys aus Wesensszüge, Fähigkeiten und Besonderheiten als Schwerpunkt zu setzen, die im Alltag deinem Wesen eher fern sind. Doch diese Unterschiede zwischen dir und deinem Charakter sollten punktuell und wohl überlegt sein.
1. Eigenes Geschlecht = Geschlecht des Charakters
Wenn du ein Kerl bist, spiel einen Mann. Wenn du eine Frau bist, spiel einen weiblichen Charakter. Wenn Charakter und Spieler im Bezug auf das Geschlecht voneinander abweichen, führt dies meist zu Problemen, Verwirrungen oder Spott und wirkt so gut wie nie überzeugend.
2. Äußeres Aussehen und Wahl von Rasse und Klasse
Anders als im Pen&Paper können wir uns das Aussehen unseres Helden im LARP nicht aussuchen. Wir spielen mit unserem eigenen Äußeren und daraus ergeben sich Auswirkungen auf die Charakterwahl. Für manche Rassen und Klassen im Rollenspiel gibt es z.B. klare Beschränkungen und diesen sollte man auch im LARP Rechnung tragen.
Zum Beispiel sind DSA Zwerge klein, stämmig gebaut und haben jede Menge Bart. Wenn du nun 1,95 m groß und hager bist, solltest du dir den Zwerg einfach aus dem Kopf schlagen.
Der gleiche Grundsatz gilt für Elfen: Wenn du massiv gebaut bist, breite Schultern hast und eher Arme wie ein normaler Mensch Oberschenkel, dann kannst du einfach keinen Elfen überzeugend darstellen.
Es lohnt sich, sich einfach einmal vor einen Spiegel zu stellen und sich kritisch zu fragen: "Was kann ich auf keinen Fall gut darstellen? Was kann ich ausschließen?" und sich dann im Umkehrschluss zu fragen: "Was kann ich rein von meinem Äußeren gut darstellen? Welche Rolle passt zu meinem Aussehen?"
3. Eigenes Alter und Charakterwahl
Wenn du sehr jung aussiehst, wird man dir die Rolle des alternden Großinquisitors nicht abnehmen. Der weise Magister mit 22 Sömmerchen wirkt in der Regel auch eher unpassend.
Wenn du jung bist, nutze die Chance und spiele junge Charaktere. Es spricht nichts dagegen, wenn Reallife- und Charakteralter um einige Jahre auseinanderliegen, aber es sollte unbedingt vermieden werden, dass ein deutlicher Bruch in der Illusion der Realität stattfindet, weil die Rolle ganz offensichtlich nicht zum Äußeren passt. Wenn du 40 bist, ist es schwer, einen 20-jährigen Jungspund zu spielen. Es wäre auch albern. Denn man wird dir ansehen, dass du keine 20 mehr bist.
4. Eigenes Können: Spiel nur, was du darstellen kannst.
Ein weiterer Punkt ist, dass du mit deinem eigenen Können, deiner Körperbeherrschung und deinem Körpergefühl im LARP auftrittst. Das ist eine Größe, die - egal welchen Charakter du spielst - immer mitbestimmend sein wird, denn: Man kann (und muss auch) nicht alles können!
Wenn du in deinem Leben noch keine drei Mal im Wald warst, wenn du dich grundsätzlich in jeder Dornenranke verhakst, wenn dir jeder Ast zielsicher ins Gesicht peitscht und wenn der Gedanke, sich auf den nassen Boden zu legen und 20 Meter durch das feuchte, modrige Unterholz zu robben, unerträglich ist... dann spiel keinen Elfen, keinen Waldläufer, Fährtensucher oder Jäger. Du bist dafür dann schlicht und einfach nicht geeignet.
Wenn du Angst vor Kämpfen hast, oder wenn du es einfach nicht richtig kannst, dann macht es keinen Sinn, einen großen Krieger zu spielen, der eigentlich alle im Kampf besiegen würde. Kann er dann aber nicht, weil deine realen Kampffähigkeiten zu schlecht sind und du - egal wie gut dein Charakter in echt wäre - einfach verdroschen wirst.
Wenn du weder Singen, noch ein Instrument spielen, noch frei vor Publikum sprechen kannst, dann solltest du dich vom Spielen von Gauklern, Barden, Herold und fahrendem Volk fernhalten. Es liegt dir dann eben einfach nicht. Du würdest dir auch keinen wirklichen Gefallen tun, wenn du so einen Charakter zu spielen versuchst. Es wäre für dich dann im Extremfall blamabel und für die Zuschauer peinlich.
Wenn es dir Spaß macht, im Mittelpunkt zu stehen, wenn du Führungsfähigkeiten hast und wenn du meinst, dass dir andere Leute vertrauen... wenn du dann auch noch relativ viel Wissen über DSA besitzt (oder zumindest in einem Spezialgebiet gut bist) und du auch ein wenig Erfahrung mit der Dynamik eines Liverollenspiels sammeln konntest, dann überlege dir, ob du nicht eine Respektsperson aus deinem Spezialgebiet im LARP mimen willst. Beispiele dafür wären Geweihte, Magier, Adelige.
5. Don'ts: Stigmatisierte Rollen und Vorurteile gegen Charakterklassen
Es gibt im LARP Rollen, die negativ vorbelastet sind. Das kommt meist durch die schlechten Erfahrungen, die man mit solchen Rollen gemacht hat. Daraus ergeben sich Vorurteile, die meistens nur sehr schwer zu überkommen sind. Als LARP-Anfänger lohnt es, diese Klassen nicht zu spielen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass du unwissentlich Vorurteile bedienst, ist hoch.
Problematisch sind:
Super-Ninja-Charaktere: Meuchelmörder / Assassinen
oft "maraskanisch", wobei Maraskan nicht Japan-China ist!
oft mit klingenden Namen, mit den Partikeln "Schatten" in allen Sprachen
oft "newbie-schwarz" gewandet (schwarz ist in vielen Fällen im LARP nicht cool)
oft pseudo-unauffällig (und damit unglaublich auffällig)
oft destruktiver Spielansatz (Meucheln, Kehlenschnitte, sonstige spielbeendende Aktionen)
oft powergamerisch veranlagt (Gifte, Resistenzen, "Ich löse mich in Nebel auf"-Telling)
oft fehlende Outtime Fähigkeiten für krassen Ninja-Meuchler (nicht jeder ist ein Free-Running Profi)
Gröl-Sauf-Schläger-Charaktere: Thorwaler
oft outtime betrunken (Sicherheitsrisiko in Kämpfen)
oft wahllos pöbelnd
oft aggressiv
Nervende-Zauberanwender-Charaktere: Kobolde, Schelme
Alles was ohne ersichtlichen Grund Leute bezaubert ist nervig
oft nervige Zauber, auf die keiner Lust hat (z.B. Zwingtanz)
oft überanstrengen sie die Geduld der "Bespaßten" maßlos
Newbie-Meisterdiebe
nehmen alles mit, was herrenlos rumsteht (Trinkbecher, Essbesteck)
oft powergamerisch wenn ertappt ("Aber du konntest mich nicht sehen, da...")
oft pseudo-unauffällig (schleichen gern tagsüber über freie Flächen)
oft "newbie-schwarz" gekleidet
meist nervig, da sie das Dieben überziehen
Hinweis an dieser Stelle: Aus unbedachtem Dieben kann schnell OT-Diebstahl werden, mit dem die meisten Orgas keinen Spaß verstehen. Also vorher gut über die Regeln informieren!
Weil es hier passt: Vermeide alles, was überwiegend schwarz als Gewandungsfarbton hat. Die Bevorzugung der Farbe schwarz ist ein typisches Newbie-Phänomen und wird häufig stigmatisierend mit pseudo-unauffälligen Powergamer-Charakteren assoziiert.
6. Knowhow über die InTime Gegebenheiten und die Spielwelt
Ein weiterer Punkt, der die Charakterwahl beeinflusst, ist der Grad deines Wissens über die Spielwelt. Wenn du z.B. von DSA wenig Ahnung hast, dann kannst du keinen Gelehrten und keinen Magier spielen, da du nicht das notwendige Wissen hast, um die Rolle überzeugend darzustellen. Du kannst auch keinen Geweihten der Zwölfgötter spielen, wenn du nicht wirklich tiefe Einblicke in die Götterwelt und die Religion hast. Denn zum Beispiel kann es vorkommen, dass Geweihte praktisch aus dem Stegreif Götterdienste abhalten oder zumindest Gebete sprechen sollen, die auf eine gerade aktuelle Situation passen. Nicht wirklich einfach und vollkommen unmöglich, wenn du nicht sehr gut mit der Thematik vertraut bist. Denn sobald ein Charakter in der Spielwelt einen gehobenen Stand hat oder exotisch ist, sind automatisch die Erwartungen der Mitspieler an die Darstellung der Rolle unglaublich viel höher als bei einem profanen Charakter.
Wenn du dich nicht gut mit der Welt auskennst, dann spiel eine einfache Profession, wie zum Beispiel einen wandernden Handwerker, einen Kleinwarenhändler, einen Söldner, einen Heiler, einen Streuner oder Dieb, einen klassischen Abenteurer... es gibt hunderte Professionen, bei denen man nicht wirklich Wissen von der Welt haben muss, um sie exzellent zu verkörpern. Es reicht hier in der Regel sich mit den absoluten Grundlagen der Welt zu befassen, wenn man in ein DSA-LARP hinein schnuppern will. Erfahrene Spieler sind meist auch sehr gerne bereit, neue Spieler in ein kleines Gruppenkonzept einzubinden und die relevanten Hintergründe zu vermitteln.
7. Keine Tischhelden im LARP nachbauen
Es passiert oft, dass Spieler ihre Tischhelden auch im LARP spielen wollen. Der Wunsch ist verständlich, da man sich in diese Figur schon tief hineingedacht hat und man meint, sie besonders überzeugend darstellen zu können. Oft auch schlichtweg, weil man einfach auf den Charakter festgelegt ist. Wir raten dringend davon ab!
7.1 Man beginnt in den meisten Larp Systemen als relativer Anfänger (in Punktesystemen auf "Stufe 1")
In Punktesystemen ist man gezwungenermaßen ein Anfänger auf der ersten Con. Man kann nach der Charaktergenerierung in den Punktesystemen in den allermeisten Fällen erst einmal wenig bis nichts. Der Tischheld kann natürlich schon fast alles. Diese Diskrepanz bei den Fertigkeiten führt zu Problemen. Also lieber klein anfangen und langsam wachsen und sehen, wohin sich der Charakter entwickelt. Es kann wirklich spannend sein, wenn man mit einem "unbeschriebenen Blatt" anfängt!
In DKWDDK-System (Du kannst was du darstellen kannst) ist es theoretisch möglich, bereits mit einem erfahrenen Charakter ins Spiel zu starten. Es wäre also auch denkbar, den Tischhelden schon am Anfang zu spielen, aber das scheitert oft an mangelnder Erfahrung, Ausrüstung, Gewandung, Gruppeneinbindung, etc. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dein genialer Tischheld im LARP einfach nicht gut ankommt und das ist frustrierend. Auch hier ist weniger oft mehr: "Klein anfangen" ist besonders für DSA-Neulinge sinnvoll, da es schneller zu Erfolgsmomenten führt und auch den (vielleicht später einmal gut darstellbaren) Lieblingscharakter nicht verbrennt.
7.2 Erlebte Abenteuer sind meist zu episch und passen nicht ins LARP
Viele Pen&Paper Helden haben die gleichen offiziellen Abenteuer erlebt. Es kann also sein, dass da jemand mit seinem Tischhelden im LARP auftaucht und sagt: „Ich habe die fliegende Festung gestürmt und Galotta getötet! Ich bin -der- Held des Zeitalters" und dann verdrehen 99,5 % der umstehenden Spieler die Augen und gehen, anstatt ihre Charaktere auf die Knie fallen zu lassen und dem Retter der Welt zu huldigen. Niemand will mit so Jemandem spielen! Und das vor allem dann nicht, wenn ein Großteil dieser Spieler das gleiche Abenteuer ebenfalls am Spieltisch erlebt haben und aus gutem Grund den P&P-Helden nicht ins Liverollenspiel mitbringt.
Im Pen&Paper geschehen andauernd Wunder, man reitet mal schnell auf einem Greifen in Praios Namen zur Endschlacht, man erschlägt die dunkelsten, jedem bekannten Oberschurken und rettet nicht zu selten die ganze Welt. Man war schon in jedem Land, man nennt die Reichsregentin mit Vornamen und Stoerrebrandt hat 1 Million Dukaten Schulden bei deinem Char. Das ist - wenn es einem gefällt - am Tisch nett. Im LARP hat solches epische Spiel und dieses Powerlevel nichts verloren.
Warum?
Schon mal einen Drachen im LARP gesehen?
Oder eine fliegende Festung?
Oder kannst du dir vorstellen, wie man einen Greifenflug darstellt?
Wir schon: Gar nicht!
Diese ganze epische Linie ist im LARP nicht bespielbar. Dere wird da nur selten gerettet, es geht um realistischere, schönere, stimmungsvollere Probleme auf einem kleineren, lokaleren Maßstab. Sollen die großen Helden die Welt am Tisch retten... unsere Charaktere lösen kleine Probleme. Sie legen sich mit einem Hexenzirkel an, suchen einen Schatz, helfen dabei einen Geist auszutreiben, nehmen an einem Magierkonvent teil, oder versuchen auf einem Ritterturnier zu bestehen. Im LARP sind wir meistens, wenn überhaupt, "normale Helden" und keine "Ober-Power-Megahelden".
7.3 Übertragung des InTime Wissens erfahrener Tischchars auf unerfahrene LARP Chars
Oftmals wird das Wissen des Tischcharakters auf den unerfahrenen LARP-Charakter übertragen. Der 18. Stufe Tischheld hat alles schon gesehen: Oger, Trolle, Drachen, Tatzelwürmer, Geister, Untote, Götter, Halbgötter, Alveranier... und damit hat der unerfahrene Char auf einmal auch das Wissen, dass Praiosblumenöl verletzend und dass Sandelholz vernichtend auf praiosverfluchte Vampire wirkt. Das ist natürlich schlechtes Spiel. Solches Wissen sollten Experten auf dem Gebiet haben, es sollte sich erspielt werden (z.B. über eine Bibliothek, Übersetzung von Schriften) oder durch Gespräche, Ausprobieren, etc.
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