Zauberdarstellung
Die eigentliche Zauberdarstellung hat bei der überzeugenden Umsetzung eines magiekundigen Charakters faktisch die geringste Bedeutung. Stattdessen sollte das Ziel sein durch Auftreten, Hintergrundwissen und Interaktion die Rolle überzeugend zu vermitteln. Wer der Meinung ist, allein durch das Sprechen von Zaubern seinen Mitspielern das Gefühl von Mystik und Magie zu vermitteln, sonst aber den hohen Ansprüchen nicht gerecht wird, sieht sich schnell schmerzhafter Nichtakzeptanz gegenüber.
Wenn es in der Darstellung weitreichend gelungen ist die Rolle des Magiekundigen zu vermitteln, bleibt möglicherweise die passende Gelegenheit für die Anwendungen magischer Zaubersprüche nicht aus. Und auch wenn das Ausführen des Zaubers nur einen kurzen Moment dauert, so kann man dabei viel kaputt machen. Immer dann, wenn Magiedarstellung also nicht die Spielatmosphäre oder den Spielspaß der Mitspieler fördert, sondern vielmehr nur Leute aus dem Spiel reißt oder anderen sogar Spiel weg nimmt, sollte der verantwortungsvolle Spieler das Zaubern lieber sein lassen. Es gibt zum Beispiel nichts Frustrierenderes als szenen- oder kampfbeendende Zauber, die einem Mitspieler den ganzen Spaß an einer Situation nehmen, nur weil es für den Zauberkundigen gerade IT-logisch war, den Zauber anzuwenden.
Wichtigstes Gebot bei der Darstellung von Magie ist es, dass es gelingt den Mitspielern ohne störendes OT-Telling die Wirkung eines Zauberspruches zu vermitteln. Dabei sollte man nie davon ausgehen, dass die anderen über Durchführung und Wirkung der Zaubersprüche informiert sind, auch nicht, wenn es sich um einen besonders häufigen oder verbreiteten Spruch handelt. Im Zweifelsfall ist der Spruch misslungen.
Beispielbild: Ein böser Schwarzmagier verzaubert einen Heiler, einmal ohne SL und einmal mit OT-SL in "rosa".
Methoden zur Vermittlung der Spruchwirkung
Die Vermittlung der Spruchwirkung kann unterschiedlich erfolgen:
Wünschenswert: Die Darstellung des Zaubers, die Formel und die ganze Situation ist so eindeutig, dass es keiner weiteren Erklärung mehr bedarf und alle Beteiligten sich über die Wirkung im Klaren sind.
- Beispiel „Armatrutz“: „Der Magiekundige steht seinem Gegner gegenüber, streicht sich über die Brust und sagt laut vernehmlich: „Armatrutz – Schild und Schutz!“. – Dabei ist es Voraussetzung, dass er den anderen Mitspieler kennt und sich sicher ist, dass dieser damit etwas anfangen kann.
- Beispiel „Blitz“: Der Magiekundige steht seinem Gegner gegenüber, hat Blickkontakt mit ihm, zeigt mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand auf seinen Feind und spricht „Blitz dich find!“. Der Zauber ist so bekannt, dass ihn in der Regel jeder kennt und die Wirkung umsetzen kann. Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass Neueinsteiger ihn vielleicht nicht kennen. In diesem Fall ist der Spruch misslungen.
Direktes IT-Telling: Aus der Darstellung des Zaubers, zusammen mit einer Erklärung gegenüber dem Nutznießer wird die Wirkung des Spruches eindeutig klar.
- Beispiel „Balsam“: Eine Elfe kniet über einem Verletzten, versorgt seine Wunden und singt ein Lied auf Isdira. Danach erklärt sie dem Verwundeten, dass er wieder vorsichtig aufstehen kann. Seine Wunde am Bein wäre nun wieder geschlossen, würde aber wohl noch einige Stunden schmerzen.
- Beispiel „Respondami“: Der Magier erklärt dem zu Befragenden, dass er ihm nach dem Sprechen der Formel drei Fragen stellen wird. Der Zauber würde ihn dann zwingen diese wahrheitsgemäß mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Würde er versuchen zu lügen oder nicht antworten, dann sorge der Zauber für schlimme Schmerzen. Erst dann wird der Zauber gesprochen.
Indirektes IT-Telling: Der Zauberer vermittelt seinen Mitspielern, der Umgebung und der Spielleitung erklärend die Wirkung und Dauer des Spruches.
- Beispiel „Band und Fessel“: Der Zauberer erklärt seinen Gefährten, dass er den Gefangenen mit einem Band und Fessel belegen würde. Der Gefangene könnte dann für ein knappes Wassermaß den festgelegten Kreis nicht eigenständig verlassen. Würde man ihn mit Gewalt hinaus ziehen, dann würde der Gefangene umgehend ohnmächtig werden.
- Beispiel „Gardianum“: Der Zauberer erklärt seinen Gefährten und damit möglicherweise indirekt den Feinden auf der Gegenseite, dass er um sich herum eine magische und unsichtbare Schutzkuppel mit 3 Schritt Radius ziehen wird. Diese vermag es bis zu zwei gegnerische Kampfzauber aufzuhalten.
OT-Telling durch den Zauberwirker oder über die SL gegenüber anderen Mitspielern ist grundsätzlich unerwünscht. Ein Spezialfall ist eine Mitteilung der SL gegenüber dem Zauberwirker, was beispielsweise bei Hellsichtsmagie notwendig ist. Darauf gehen wir weiter unten ein.
Qualität der Spruchwirkung
Bedingt durch verschiedene Faktoren im Spiel können Zauber in ihrer Wirkung durchaus variieren. Der Heilzauber eines Spezialisten hat beispielsweise eine stärkere Wirkung als wenn ein anderer den Zauber im Notfall gerade so hin bekommt. Wir wollen jedoch davon absehen dies innerhalb des Codex zu reglementieren und setzen hier auf die Eigenverantwortung der Magiedarsteller und der Mitspieler. Ansatzpunkte zur Darstellung sind die Stärke der Wirkung eines Zaubers und seine Wirkungsdauer. So kann ein Magiekundiger abweichend von den Richtlinien in der Zauberliste Ergebnis, Durchschlagkraft, Wirkungsdauer, Reichweite oder einen anderen Aspekt sehr gerne variieren, solange ihm das mit spielgerechter Darstellung gelingt.
- Beispiel „Balsam a“: „Wegen der Schwere der Verwundung habe ich einen Großteil meiner Kraft gegeben. Wenn unser Freund wieder aufwacht, sollte er wieder laufen können.“
- Beispiel „Balsam b“: „Es hat gerade gereicht, um die Wunde zu schließen. Das muss sich nachher dringend noch ein Heilkundiger anschauen, sonst wird es wieder aufbrechen.“
- Beispiel „Band und Fessel a“: „Der Zauber ist mir sehr gut gelungen, die nächsten 2 Stunden wird der Gefangene nicht fliehen können. Vielleicht sollten wir ihm daher etwas zu Essen bringen.“
- Beispiel „Band und Fessel b“: „Er hat sich gegen den Zauberbann ganz schön gewehrt. Ich kann überhaupt nicht abschätzen, wie lange ihn das aufhalten kann. Möglicherweise nur ein paar Augenblicke, vielleicht auch länger?“
Zaubervarianten
Der aventurische Spielhintergrund bietet eine ganze Reihe an Modifikationen und Varianten der bekannten Zaubersprüche. Diese können faktisch genauso wie die eigentlichen Zaubersprüche für das Liverollenspiel adaptiert werden. Dabei muss jedoch genauso die Darstellbarkeit der Variante, wie die Vermittlung der Wirkung an die Mitspieler bedacht werden.
Erfahrene Spieler von magiekundigen Charakteren sollten mit dieser Methodik also äußerst sparsam und bedacht umgehen und sich hier auf Zauber beschränken, die der Charakter vor dem Hintergrund seines Konzeptes besonders gut beherrscht. Dann kann jedoch die Variante „Welle der Schmerzen“ des Fulminictus, ein verkürzter Balsam oder ein Gardianum „contra daemonis“ das Erlebnis der Spielwelt sogar noch vertiefen. Dabei sollte jedoch stets beachtet werden, dass nur ein kleiner Bruchteil der Mitspieler so tief in den Mechaniken der Hintergrundwelt steckt, dass sie ohne weiterführende IT-Erklärung auch etwas mit der genauen Auswirkungen modifizierter Zauber anfangen können.
Kraft und Erschöpfung
Magische Kraft ist endlich und die Anwendung von Magie äußerst anstrengend. Dessen sollten sich die Darsteller stets bewusst sein und dies auch ihren Mitspielern vermitteln. Weil wir möglichst das gedankliche Zählen von Punkten vermeiden wollen, sind die Richtwerte für astrale Kraft im Zusammenhang mit der Zauberliste äußerst einfach gehalten. Jeder Magiekundige ist daher angehalten eigenverantwortlich einzuschätzen, wie kräftezehrend die Zauberanwendung im speziellen Fall für ihn ist. Während es möglicherweise schon den ganzen Vorrat an Astralkraft kosten kann, an einem Tag zwei Menschen mit Heilmagie von der Schwelle des Todes zu erretten, vermag man nach zweimaligem Blitz dich find und einem Odem vielleicht noch einen Armatrutz zu sprechen.
Genauso ist es auch wichtig, die körperliche und geistige Erschöpfung nach der Durchführung von mächtigeren oder kräftezehrenden Zaubern nach außen hin darzustellen. Kopfschmerzen, Müdigkeit oder ganz andere Symptome, möglicherweise auch mit einer Erklärung versehen, vermitteln den Mitspielern, dass auch der magiekundige Charakter Schwächen hat und seine Kräfte sparsam einsetzen muss. Daher ist es auch dringend zu vermeiden nach einer Aussage „Ich bin am Ende meiner Kräfte“, kurz darauf wieder fröhlich herumzuspringen und mit Zaubern um sich zu werfen.
Richtwerte Kraft und Erschöpfung (zur Orientierung)
- Vorrat eines Vollzauberers (z.B. Gildenmagier, Hexe): 5 AsP
- Vorrat eines Viertelzauberers (z.B. Dilettant): 2 AsP
- Entwicklung: Steigerung des Vorrates durch Charaktererfahrung im angemessenen Rahmen, Maximum von 10 AsP sollte auch bei langjährigen Charakteren nicht überschritten werden.
- Die Orga/Spielleitung behält sich vor den AsP-Vorrat eines Charakters an Plot und Setting anzupassen.
- Dabei wird angenommen, dass ein Zauber im Allgemeinen 1 AsP benötigt!
- Es gilt: Die Orga/Spielleitung hat das letzte Wort!
Verschiedene Repräsentationen
Es kann durchaus stimmungsvoll sein, in der Darstellung von Zaubern verschiedenen Repräsentationen gerecht zu werden. Allerdings muss man dabei im Besonderen beachten, dass der Zauber und dessen Wirkung für die betroffenen Mitspieler eindeutig klar wird. Beispielsweise scheitert ein in Isdira gesprochener Fulminictus oft an dem Gegenüber, der kein Isdira beherrscht und in dem Moment einfach nicht weiß, wie er sich verhalten muss.
Im Grunde ist es also durchaus gewünscht, wenn in der Magiedarstellung die Eigenarten der Repräsentationen eingebracht werden, um so das Flair der Spielwelt noch zu vertiefen. Mit den Möglichkeiten der oben genannten Techniken der Darstellung sollte die Wirkung von Zaubern in vielen Fällen auch bei Abweichung der Vorschläge in der Magieliste für die Mitspieler klar sein.
Besonders schwierig wird es allerdings dann, wenn ein Magiekundiger unerkannt bleiben will. Ihm hilft hier weder die deutliche Spruchkomponente, noch Telling in irgendeiner Form, da hier jeweils die Mitspieler die Zauberausführung mitbekommen und es schwer ignorieren können. Direktes OT-Telling oder indirektes über eine Spielleitung ist keine Lösung für das Problem, weil das die anderen Spieler zu sehr in ihrem Spiel stören würde.
Denkbar sind hier dann nur einige Zauber, die eher nach innen oder auf den Magiekundigen selbst gerichtet sind. So ist eine magische Analyse im Geheimen genauso möglich, wie eine Selbstheilung. Allerdings sollte man bei Magie, die einen spielrelevanten Vorteil während oder nach dem Kampf bietet, sehr aufpassen, denn wenn die Mitspieler die Durchführung der Magie nicht mitbekommen, können sie dessen Wirkung auch schnell falsch deutschen. („Da spielt jemand seine Treffer/Wunden nicht aus!“)
Für andere Zauber hilft es dann nur noch sich einzelnen Gefährten oder Zauberempfängern vertrauensvoll zu offenbaren. Dem gemeinsamen Spiel ist es dann vielmehr förderlich, wenn ein Geheimnis geteilt wird und dafür keine Störung durch OT-Telling erfolgen muss. Gleichermaßen sei hier auch an die „Mitspieler“ des Zauberkundigen appelliert, nicht akribisch mit OT-Blick alle Bewegungen des „Unerkannten“ zu verfolgen und bei nächstbester Gelegenheit der Allgemeinheit dessen Geheimnis zu offenbaren.
Häufiger Fall: Hexen
Besonders häufige tritt das Problem der spielkonformen Zauberdarstellung bei Hexen-Charakteren auf. Denn gemäß des aventurischen Hintergrundes sind die meisten Zauber eher auf eine stille und geheime Durchführung ausgelegt, was es dann oft schwer macht, die Zauberwirkung durch eindeutige Gesten oder IT-Telling zu vermitteln. Die Lösung dafür ist aber nicht automatisch die Erlaubnis für OT-Telling-Komponenten, da dies auf Kosten des Spielerlebnisses anderer gehen würde und dadurch das Spielgefühl nicht bereichert.
Magiedarstellung bei Hexen erfordert daher, so die Anwendung von nach außen gerichteten Zaubern erforderlich ist, die eigene IT-Logik ein Stück weit zurück zu nehmen und dabei Gefahr zu laufen den eigenen Charakter als Magiekundigen zu enttarnen. Genauso wie offene Spruchwirker sollten also hexische Zauber mit Auswirkung auf andere Mitspieler durch klar verständliches IT-Telling oder erkennbare Gesten vermittelt werden. Unproblematisch ist das im Rahmen von vertrauten Gefährten, die ohnehin vom Geheimnis der Hexe wissen, schwieriger wird es jedoch in Kampfsituationen oder bei Konflikten mit anderen Charakteren, die eine Hexe noch nicht so gut kennt.
Daher gibt es mit dem Umweg über die Spielleitung noch eine andere Möglichkeit stimmungsvolle Effekte zu erzielen. Ähnlich wie bei der Analysemagie (siehe nächstes Kapitel) wäre es denkbar, einen Hexenzauber vorher bei der Spielleitung anzumelden und diesen dann ohne IT-Telling und Erklärung im Spiel durchzuführen. Dies könnte beispielsweise das magische Beeinflussen einer Plotfigur sein. Die Spielleitung hat dann Gelegenheit die Figur entsprechend auf den Zauber vorzubereiten oder der Hexe das Ergebnis des Zaubers mitzuteilen. In einem solchen Fall können tolle Spielmomente entstehen, ganz ohne die Fähigkeiten der Hexe zu enttarnen.
Darüber hinaus haben Spieler mit einem hohen Anspruch an spielförderndes Metagaming die Möglichkeit ihre Hexen-Mitspieler bei ihrer Zauberdarstellung dadurch zu unterstützen, dass sie einen IT vermittelten Effekt mitspielen, aber dann einfach OT so tun als hätten sie die vermeintliche Enttarnung der magiekundigen Hexe nicht mitbekommen. Dies fußt auf dem Verständnis, dass ein Hexenspieler in einer Situation gezwungen war zum Wohle des Spieles IT-Telling durchzuführen, sich aber eigentlich nicht gemäß der Logik der Rolle enttarnen wollte. Wer das in entsprechenden Situationen bemerkt und einfach mitspielt, ohne danach eine Hexenjagd zu beginnen, fördert dadurch auch das gemeinsame Spielerlebnis.
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