Problemanalyse im Falle des „Plotcharakters“:

Plotcharaktere sind alle Figuren, die in irgendeiner Form für den Plot relevant sind, wodurch ihre Bedeutung über das einfache „Kämpfen und Sterben“ hinausgeht. Dazu gehören die klassischen Festrollencharaktere, die das Spiel während eines Liverollenspiels begleiten, genauso wie die in Kampfszenen herausgestellten Figuren mit einem größeren Interaktionsanteil. Solche Figuren werden in ernsten Konfliktsituationen, meistens dann, wenn sie deutlich als Bösewicht erkennbar sind, häufig gefangen genommen oder in Befragungssituationen gebracht. Sobald der Kampf vorbei ist und die Spieldynamik wieder ruhig wird, verbietet es sich erfahrungsgemäß, die Figur einfach zu töten. Es kann dann zu folgenden Problemen kommen:

  • Töten des Plotcharakters widerspricht den Regeln der Spielwelt: Eigentlich ist der Charakter ein fieser Bösewicht und hat den Tod verdient. Allerdings bräuchte man dazu nun ein offizielles Gericht, Gildentribunal oder sonst etwas in der Spielwelt. In der Regel ist das nicht verfügbar, also wie geht man damit um? (Beispiel: Das Grafengericht)
  • Gefangene beim Wandern: Die Reise geht weiter, aber der Gefangene ist noch da. Nimmt man ihn dann auf der weiteren Wanderung mit? Wird die Person gefesselt? Wer passt auf sie auf? Wie kann man sicherstellen, dass alle Beteiligten dabei Spaß haben?
  • Gefangene im Lager: Wie wird der Gefangene gesichert? Wer passt auf ihn auf? Wie wird er bespaßt, also das weitere Spiel mit ihm sichergestellt? Wie bindet man ihn in die Essensversorgung ein? Wann ist das Spiel zu Ende?
  • Das Spiel ist abgeschlossen, was nun tun mit dem Charakter: Wird der Plotcharakter nun umgebracht, weil er böse ist? Lässt man ihn laufen? Sperrt man ihn weg? Wenn ja wohin, unter Bewachung durch Spielercharakere oder in den „Kerker“ bei der Orga/SL?
  • Darsteller muss aus dem Spiel raus: Der Mitspieler möchte aus der Situation heraus, weil sie keinen Spaß mehr macht oder er für den Abend noch einen anderen Charakter spielen möchte oder muss. Es gibt zwar noch Interesse an Verhör- und Befragungs-Spiel, aber eigentlich dreht sich alles im Kreis. Oder es dauert noch lange, bis es eine Lösung gibt.

 

Lösungsvorschläge bei „Plotcharakteren“:

Die aufgezeigten Problemfelder decken nur einen ganz kleinen Teil dieses sehr komplexen Themas ab. Wir wollen aber trotzdem versuchen, ein paar Anregungen für die einzelnen Facetten zu geben:

Ideen, um den Tod eines Plotcharakters herbeizuführen:

  • Gremium einberufen: Es lässt sich ein Gremium aus Adeligen, Geweihten oder Magiern einberufen, das die Entscheidung über den Tod dieses Charakters tragen und die Verantwortung auf sich nehmen kann. Wenn das zeitnah passiert und der gefangene Mitspieler dann nicht stundenlang gelangweilt rumsitzen muss, ist das durchaus eine Option.
  • Mörder beauftragen/machen lassen: Je nach Setting gibt es möglicherweise Charaktere, die kein Problem damit haben einen kaltblütigen Mord an einem gefangenen Bösewicht durchzuführen. Dieser mag durchaus berechtigt oder erklärbar sein, es handelt sich aber ohne Verurteilung trotzdem um einen Mord. Nur besonders abgebrühte Charaktere würden so etwas gutheißen.
  • Ausrufen eines Götterurteiles: Wegen der Abwesenheit von entsprechenden Entscheidungsträgern gibt es ein Götterurteil. Beliebt ist hier der rondragefällige Zweikampf, möglicherweise bis zum Tod eines Kontrahenten. Allerdings kann das theoretisch auch hässlich für den beteiligten Spieler-Charakter ausgehen. In der Regel ist dem Darsteller der Plotrolle aber auch klar, dass er aus dem Spiel raus muss. Trotzdem schadet es durchaus nicht, sich kurz abzustimmen, weil das auch ermöglicht, den anderen Mitspielern eine tolle Kampf-Show zu liefern. Denkbar wäre z.B. auch, dass der Plotcharakter bei einem abgesprochenen Fluchtversuch stirbt.

-> In jedem Fall ist es beim Tod des Plotcharakters wichtig, dass dieser nicht verharmlost wird oder folgenlos ist. Denn auch wenn der Charakter böse war und es verdient hat, gab es ein Todesopfer, mit dem auch entsprechend umgegangen werden muss. Es wäre schade, wenn dieser Umstand und die Folgen im weiteren Spiel nicht thematisiert werden.

 

Ideen zum Umgang mit Gefangenen:

  • Fesseln: In der aventurischen Welt sollte ein Gefangener gefesselt sein. Wenn es keine weiteren Absprachen gibt, erfolgt dies durch lockeres und sorgsames Anbringen eines Seils, aus dem sich der Mitspieler aus Sicherheitsgründen auch selbst befreien könnte. Das „Entfesseln“ wird in der Regel dann teils dargestellt und teils echt durchgeführt.
  • Bewachen: Ein Gefangener muss aktiv bewacht werden. Dazu gehört durchaus beidseitige Interaktion. Die Verantwortung für das „Bespaßen“ eines Gefangenen liegt immer bei den Mitspielern, die die Gewalt über diesen haben. Zur Belohnung gibt es dann möglicherweise noch ein paar Plotinfos oder Hintergründe, die vorher noch nicht herausgekommen waren.
  • Befragung: Sehr viele Leute haben Spaß mit einem ausführlichen Befragungsspiel, egal ob mit Argumenten, Folter, mit Magie oder anderen Methoden. Hier ist natürlich ein fairer und respektvoller Umgang besonders wichtig. Der Darsteller der Plotfestrolle signalisiert durch seine Reaktionen im Spiel, wie hart und dreckig er es haben will, weswegen es wichtig ist, dass die Spielercharaktere die Intensität erst mal langsam steigern. Außerdem ist hier natürlich zu berücksichtigen, dass es sich oft durchaus lohnt, darüber nachzudenken, wie man die Sache angeht, anstatt einfach loszulegen. Denn der Plotcharakter ist ein eben solcher und wird weiterhin seine Figur spielen und die Infos nicht einfach mal eben so herausrücken.
  • Essen und Getränke: Der Mitspieler muss genauso essen und trinken wie alle anderen, auch wenn er möglicherweise durch Fesseln gehemmt ist oder das in der IT-Logik nicht verdient hat. Im Spiel sollte man sich daher auf entsprechende Gesetze der Gastfreundschaft oder andere gesellschaftliche Regeln besinnen und den Gefangenen an der Verpflegung teilhaben lassen.
  • Beim Wandern: Normalerweise ist nur selten eingeplant, dass ein Gefangener einen Wanderplot begleitet, es sei denn, dies geht explizit aus dem Auftrag („Suche XYZ, nimm ihn gefangen und bringe ihn hierher zurück.“) hervor. Es ist daher sinnig, bei Gefangenen auf Wanderstrecken andere Lösungen (Töten, Freilassen) zu suchen. Wenn der Mitspieler und eine etwaig anwesende SL nicht widersprechen (das können auch dezente Hinweise wie „Jagen wir ihn doch in den Wald“ durch den SL-Char sein), dann obliegt die Verantwortung, den Mitspieler verantwortungsvoll mitzunehmen, in den Händen der Spielercharaktere. Als Faustregel gilt hier: Ist Kleidung und Schuhwerk des Mitspielers nicht für die Wanderstrecke geeignet oder jammert er z.B. sehr deutlich über ein verletztes Bein, dann ist es wohl auch nicht vorgesehen, ihn als Gefangenen mitzunehmen.
  • Temporäres Wegsperren: Manchmal gibt es Situationen, in denen keine Zeit für den Gefangenen ist, es gerade keine Interaktionsmöglichkeiten gibt, sich die Sache schon eine ganze Weile zieht oder man auf bestimmte Ereignisse (z. B. das Eintreffen eines berechtigten Entscheiders) warten muss. Hier bietet es sich an, den Gefangenen temporär wegzusperren, entweder unter aktiver Bewachung mit Bespaßung oder nach Rücksprache mit der SL in einem Kerker in der Nähe. Dabei muss die SL dann entscheiden, ob es möglich sein wird, während des Liverollenspiels noch mal auf den Charakter zuzugreifen, oder ob er dann aus dem Spiel ist, weil der Mitspieler in eine andere Rolle schlüpfen muss. Temporäres Wegsperren ist also nicht immer möglich.

 

Ideen für Exit-Strategien für Plotcharaktere:

  • Freilassen: Im Spiel ist es immer ziemlich einfach, Gründe dafür zu finden, einen Charakter freizulassen. Beispielsweise könnte es in einem Dorf in der Nähe des Blautanns Tradition sein, Diebe und Verbrecher mit dem Knüppel aus dem Dorf und in den Wald zu jagen, damit man keine weiteren Scherereien mit ihnen hat. Oder man konnte den Gefangenen überzeugen, dass er seinen Lebensunterhalt zukünftig anderweitig verdient.
  • Finales Wegsperren: Manchmal ist das Spiel mit einem Gefangenen zu Ende, es wird kein Todesurteil geben und es ist auch grob unlogisch, diesen freizulassen. Dann wird oft die Metamethode des „finalen Wegsperrens“ verwendet, bei dem der Gefangene von ein paar Springer-Figuren in ein Gefängnis gebracht wird. Dorthin wird er dann zur offiziellen Aburteilung überführt und ist für das restliche Liverollenspiel nicht mehr verfügbar.
  • Bußqueste: Das Vergehen des Plotcharakters kann möglicherweise mit einer Bußqueste gesühnt werden und es bedarf nicht unbedingt einer Aburteilung durch ein Gericht. Hier muss aber auch erst mal ein Charakter oder ein Gremium beschließen, dass dies im Einzelfall so ist, und für diese Entscheidung auch einstehen. Dann wäre es denkbar, dass der Plotcharakter von einem Geweihten eine Bußqueste auferlegt bekommt, ggf. einen Schwur leisten muss und dann tatsächlich auch freigelassen wird.
  • Tod durch Plot: Je nach Plot und Setting hat möglicherweise die Spielleitung Konzepte, einen Plotcharakter aus der Gefangenschaft zu befreien. Dazu gehören beispielsweise böse Rituale des Oberbösewichts, die Macht von Dämonen im Hintergrund, versteckte Giftampullen, nicht bemerkte innere Blutungen, ein Springer-Attentäter oder zahlreiche weitere Geschichten.

-> Bei Plotcharakteren, bei denen mit einer Gefangennahme zu rechnen ist, wäre es immer gut, wenn die Spielleitung bereits schon eine Exit-Strategie in der Hinterhand hat.


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